Donnerstag, 10. Februar 2011

Über die Krankheit

Spinale Muskelatrophie (SMA) ist eine Erkrankung der Nervenzellen, die für die willkürlichen Bewegungen der Muskulatur, wie Krabbeln, Laufen, Kopf- und Halskontrolle und Schlucken, zuständig sind. Betroffen ist eines von 6.000 Neugeborenen.
SMA beeinträchtigt alle Muskeln des Körpers, am schwersten sind jedoch die so genannten proximalen Muskeln (z. B. Schulter- Hüft- und Rückenmuskulatur) betroffen. Die Schwäche in den Beinen ist im allgemeinen größer als in den Armen. Es kann auch die Kau- und Schluckmuskulatur betroffen sein. Die Beteiligung der Atemmuskulatur (die für die Atmung und das Abhusten zuständig ist) kann zu einer erhöhten Anfälligkeit für Lungenentzündungen und anderen Problemen mit der Lunge führen. Sinneswahrnehmungen und die Hautsensibilität sind nicht betroffen. Die intellektuellen Fähigkeiten sind ebenfalls nicht betroffen. Es wird im Gegenteil oft beobachtet, dass Patienten mit SMA ungewöhnlich geistig wach und kontaktfreudig sind. Man kann die Patienten grob in vier Kategorien einteilen. Diese Einteilung beruht auf bestimmten Meilensteinen in der motorischen Entwicklung, die der Patient erreicht hat.

Wodurch wird Spinale Muskelatrophie verursacht?

SMA ist eine genetische Erkrankung. Damit ein Kind an SMA erkranken kann, müssen beide Eltern Träger des veränderten Gens sein und beide müssen dieses Gen an das Kind weitergeben. Auch wenn beide Eltern Überträger sind, ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein Kind erkrankt 25 % oder 1:4.
Einer Person mit SMA fehlt (bzw. ist verändert) das SMN1-Gen - ein Gen, das für das Überleben von Motorneuronen zuständig. Dieses Gen produziert im Körper ein Protein, das Survival Motor Neuron (SMN) Protein. Dieser Mangel an Protein hat die größten Auswirkungen auf die Motorneuronen, die Nervenzellen im Rückenmark sind und die Nervenfasern zu den Muskeln des ganzen Körpers aussenden. Weil das SMN-Protein entscheidend für das Überleben und die Gesundheit der Motorneuronen ist, können diese Zellen bei Proteinmangel atrophieren, schrumpfen und schließlich absterben, was eine Muskelschwäche zur Folge hat.
Wenn ein Kind mit SMA in der Wachstumsphase ist, ist sein Körper in einem doppelten Stress, zunächst durch die Verminderung der Motorneurone und dann durch den erhöhten Bedarf an Muskel- und Nervenzellen infolge des Wachstums des Körpers. Die daraus entstehende muskuläre Atrophie führt zu Schwäche und zu Deformitäten der Knochen und der Wirbelsäule. Daraus kann ein weiterer Verlust an Funktion entstehen und eine zusätzliche Beeinträchtigung der Atmung.

Es gibt vier Typen von SMA, SMA I, II, III, und IV. Der Verlauf der Erkrankung ist aber bei jedem Kind anders.

Typ I

Die SMA Typ I wird bei den Kindern vor Erreichen des 6. Lebensmonats diagnostiziert.
Normalerweise kann ein Kind mit Typ I niemals auch nur den Kopf heben, geschweige denn andere normale körperliche Entwicklungsstufen der frühen Kindheit erreichen. Im allgemeinen besteht nur eine sehr mangelhafte bis gar keine Kopfkontrolle und die Beine werden nicht so kräftig bewegt, wie das sein sollte, und die Kinder können kein Gewicht mit den Beinen übernehmen. Sie erreichen nicht die Fähigkeit, ohne Unterstützung zu sitzen. Schlucken und die Aufnahme von Nahrung können erschwert sein und sind meist von einem gewissen Zeitpunkt an in Mitleidenschaft gezogen. Die Kinder können auch Schwierigkeiten beim Schlucken des eigenen Speichels haben. Die Zunge kann eine Atrophie zeigen, auch spontane kräuselnde Bewegungen oder ein feines Zittern, das man als „Fazikulationen“ bezeichnet. Es besteht eine Schwäche der Zwischenrippenmuskeln, die normalerweise den Brustkorb erweitern, und der Brustkorb ist kleiner als gewöhnlich. Der stärkste Atemmuskel bei einem SMA-Patienten ist das Zwerchfell. Deshalb erscheint es so, als würden SMA-Patienten mit ihren Bauchmuskeln atmen. Wegen dieser reinen Zwerchfellatmung erscheint die Brust eingesunken. Infolge dieser Atmungsweise entwickeln sich die Lungen nicht vollständig, der Hustenstoß ist sehr schwach. Während des Schlafs kann die Atmung so schwach sein, dass die normalen Sauerstoff- und Kohlendioxidwerte nicht aufrechterhalten werden können.

Typ II
Die Diagnose von Typ II wird fast immer vor Erreichen des 2. Lebensjahres gestellt. Kinder mit diesem Typ können ohne Hilfsmittel sitzen, sie brauchen jedoch meist Hilfe, um in die Sitzposition zu kommen. Bis zu einem gewissen Grad kann auch das Stehen mit Hilfe von Orthesen oder einem Stehbrett möglich sein. Probleme mit dem Schlucken bestehen beim Typ II gewöhnlich nicht; das kann aber von Kind zu Kind verschieden sein. Für einige Patienten kann es schwierig sein, genug Nahrung auf normalem Weg aufzunehmen. Es kann dann notwendig werden, eine Nahrungssonde in den Magen durch die Bauchhaut zu legen. Kinder mit SMA Typ II haben häufig Zungenfaszikulationen und haben ein feines Zittern in den ausgestreckten Fingern. Sie haben auch schwache Zwischenrippenmuskeln und atmen hauptsächlich mit dem Zwerchfell. Sie können auch Schwierigkeiten beim Abhusten haben und Schwierigkeiten, während des Schlafes den normalen Sauerstoff- und Kohlendioxidspiegel aufrechtzuerhalten. Eine Skoliose entwickelt sich nahezu immer während des Wachstums dieser Kinder. Das macht eine Operation oder eine Versorgung mit einem Korsett im Verlauf der Erkrankung erforderlich. Die verminderte Knochendichte kann zu einer erhöhten Anfälligkeit für Knochenbrüche führen.

Typ III
Die Diagnose von Typ III, ist viel variabler in ihrem Beginn. Die Diagnose kann schon im Alter von ungefähr einem Jahr gestellt werden oder erst im späteren Jugendalter. Typischerweise wird die Diagnose aber gestellt, bevor die Kinder den 3. Geburtstag erreichen. Die Patienten mit Typ III können alleine stehen und laufen, sie können aber im Verlauf der Erkrankung Schwierigkeiten mit dem Laufen haben. Die frühen Meilensteine der motorischen Entwicklung sind oft normal. Es kann jedoch sein, dass die Kinder beim Laufen sehr oft hinfallen oder Schwierigkeiten haben, von der Sitzposition oder aus einer vornüber gebeugten Position zum Stehen zu kommen. Manchmal fällt auch auf, dass Rennen nicht möglich ist. Bei Typ III kann auch ein feines Zittern der ausgestreckten Finger zu sehen sein, Faszikulationen der Zunge sind jedoch selten. Schwierigkeiten beim Essen oder beim Schlucken sind hier während der Kindheit ausgesprochen selten. Personen mit Typ III können die Fähigkeit zu laufen in der Kindheit, während des Heranwachsens oder erst im Erwachsenenalter verlieren. Oft geschieht das im Zusammenhang mit einem Wachstumsschub oder einer Erkrankung.

Typ IV (Beginn im Erwachsenenalter)
Bei dieser Erwachsenenform zeigen sich die ersten Symptome üblicherweise nach dem 35. Lebensjahr. Dass eine spinale Muskelatrophie zwischen dem 18. und 30. Lebensjahr diagnostiziert wird, ist ausgesprochen selten. Der Beginn im Erwachsenenalter ist wesentlich seltener als die anderen Formen. Diese Form ist definiert als Beginn der Schwäche nach dem 18. Lebensjahr und in den meisten bekannten Fällen lag der Beginn der Erkrankung nach dem 35. Lebensjahr. Typischerweise beginnt die Erkrankung schleichend und schreitet nur sehr langsam fort. Die bulbären Muskeln, das sind die, die für das Schlucken gebraucht werden, und die Atemmuskeln sind beim Typ IV nur äußerst selten betroffen.

Patienten mit SMA verlieren typischerweise im Verlauf der Erkrankung bestimmte Funktionen. Das kann im Rahmen eines Wachstumsschubes oder einer Erkrankung sehr rasch passieren oder auch ganz allmählich stattfinden. Die Erklärung für diesen Verlust an Funktion bleibt auch im Lichte neuerer Forschungsergebnisse unklar. Es kann beobachtet werden, dass Patienten mit SMA oft über einen längeren Zeitraum sehr stabil in ihren motorischen Funktionen sind, obwohl die Tendenz zum Verlust von Funktionen mit zunehmendem Alter bei allen vorhanden ist.

Quelle: http://www.smarty-marcello.de/, nach: Families of SMA‚ www.fsma.org, 2005,
Übersetzung: Inge Schwersenz

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